Acro Yoga. Dass dieses Jahr für mich zum Acro-Yoga-Jahr werden würde, hatte ich wirklich nicht gedacht. Doch jetzt bin ich ein Acro-Yoga-Fan und fahre einmal pro Woche nach Dresden zum Fliegen. In diesem Beitrag verrate ich dir, wie es dazu kam.
Eines gleich vorweg: „Acro“ hat nichts mit „Aggressivität“ zu tun, sondern das Wort leitet sich von „Akrobatik“ ab. Acro Yoga ist also akrobatisches Yoga. Früher sagte ich zu Acro Yoga gern „Hardcore-Partner-Yoga“. Inzwischen wurde ich eines Besseren belehrt, und heute weiß ich, dass diese Bezeichnung völlig falsch ist.
Ist Acro Yoga nur etwas für Handstand-Junkies?
Ich muss zugeben, dass ich in den letzten Jahren bei unseren Yogareisen und Workshops immer wieder mit Acro Yoga in Kontakt gekommen bin. Doch so richtig vom Hocker riss es mich nicht. Eher sah ich darin eine Ego-Geschichte einiger ausgeflippter Handstand-Junkies mit. Die Yoga-Sequenzen und Übergänge von einer extremen Position in die andere haben mich zwar beeindruckt, schienen für mich selbst aber unerreichbar weit entfernt. Ein tiefer Graben zog sich zwischen mir und dem Acro Yoga. Leute auf den Schultern, Füßen, Händen und sonstigen Körperteilen zu balancieren, findet sich in jeder Zirkus-Vorstellung. Sind Acro Yogis also nur kleine, unentdeckte Artisten mit etwas Yoga-Erfahrung? Was ist das Besondere am Acro Yoga?
Acro Yoga lebt von der spielerischen Leichtigkeit des Lebens
Das erste Mal habe ich Acro Yoga in diesem Jahr auf unserer Goa-Yogareise hautnah erlebt. Unter uns waren mehrere Yoga-Girls, die scheinbar jede freie Minute nutzten, um am Strand oder in der Villa in den „Star“, „Flieger“, „Super-Yogi“ oder in die „Hängematte“ zu gehen. Die Acro-Yoga-Übungen haben wunderbare Namen, die allein für sich schon sehr entspannend klingen. Ich sah gern aus sicherer Entfernung zu – und irgendwann fehlte eine Base. Als Yogalehrer musste ich ran. Was ist eine Base?
Acro Yoga ist Teamwork: Es braucht eine Base, einen Flieger und einen Spotter
Das Schöne am Acro Yoga ist, dass es wunderbares Teamwork ist. Es bedarf dreier Personen, um Acro Yoga mit Freude, Sicherheit und Vertrauen zu üben. Die Base ist eine Person, die meist mit dem Rücken auf dem Boden liegt und eine andere Person – den Flieger – gekonnt von einer Position in die andere bringt. Weil man bei diesen Yoga-Spielchen schnell die Balance verlieren kann, gibt es noch eine dritte Person, den Spotter. Dieser hat die wichtige Aufgabe, immer an der Seite zu stehen, zu stabilisieren und Sicherheit zu vermitteln. In einer Acro-Yoga-Stunde wird jeder Teilnehmer zur Base, zum Flieger und zum Spotter.
Von außen betrachtet entsteht der Eindruck, dass der Spotter den einfachsten Job im Acro Yoga hat. Er steht nur da und passt auf, dass nix passiert. ABER der Spotter muss genau wissen, wie er stehen muss und was er zu tun hat. Selbst in waghalsigen Überkopf-Positionen sichert er ab, ohne den Flieger direkt festzuhalten. Ein Spotter muss die beiden Körper gut beobachten und ihnen genügend Freiraum geben, damit Flieger und Base in ein Gleichgewicht kommen. Und das ist bereits eine super Erkenntnis fürs Leben: Es braucht genügend Freiraum, um selbst in die Mitte zu gelangen. Je krampfhafter ein Spotter versucht, zu stützen und Hand anzulegen, desto schwieriger wird es für die anderen Beteiligten, sich aufeinander einzulassen. Diese Erkenntnis könnte manche Paartherapie überflüssig machen. Also: Es braucht Freiraum im Leben. Enge und zu viel Kontrolle sind kontraproduktiv.
Auch habe ich die Erfahrung gemacht, dass der Job der Base nicht körperlich anstrengend ist. Man denkt, dass die Base viel Kraft braucht, um einen Menschen derart „leicht“ fliegen zu lassen. Aber hier kommen viele Ausrichtungsprinzipien des Hatha Yogas zur Anwendung. Beine strecken, Rücken entlasten, Gelenke übereinander und sich gegenseitig Vertrauen schenken. Acro Yoga lebt auch von einer Körperspannung, die von den Zehen bis in die Fingerspitzen reicht.
In Goa wurde ich herrlich motiviert. Meine Fliegerin meinte:
„Silvio, Du bist eine Super-Base!“
Ich wusste damit nichts anzufangen, weil ich dachte, es sei normal, so wie ich es machte. Aber es gelang mir offenbar recht gut, meine Fliegerin auf meinen Füßen vorwärts, rückwärts und seitlich zu balancieren. Ja, und ehrlich gesagt machte das Bikini-Acro-Yoga allen viel Freude und motivierte. Ich natürlich mit Badehose. Jedenfalls haben mich Goa und dieses Kompliment stark motiviert, am Acro Yoga dranzubleiben. Die Frage war nur: Wie geht’s weiter, wenn ich zurück in Deutschland bin?
Acro Yoga Jam in Dresden mit Rosa und Michael
Das Beste zuerst: Der Freitagabend ist mir inzwischen heilig. Denn das ist der Termin, an dem ich regelmäßig von Chemnitz nach Dresden zur Acro Yoga Jam (www.acroyogadresden.de) fahre. „Jam“ heißt, dass man sich trifft und gemeinsam seiner Leidenschaft (hier: Acro Yoga) nachgeht. Die Jam organisiert Rosa, eine ausgebildete Acro- und Yogalehrerin. Rosa unterrichtet mit viel Herz und Leidenschaft und weiß, Menschen zu begeistern und dort abzuholen, wo sie gerade stehen. Ihr Unterrichtsstil ist geprägt von einer exakten Ausrichtung, einer wunderbaren bildlichen Sprache und viel Einfühlungsvermögen. Schon nach der ersten Stunde war ich derart von ihr als Yogalehrerin begeistert, dass ich eine Serie an Privatstunden bei ihr buchte. In über 16 Jahren eigener Yogapraxis hatte ich zuvor noch nie den Luxus einer Privatstunde (ein Lehrer nur für mich!) genossen. Rosas Freund Michael ist Shiatsu-Therapeut und die perfekte Unterstützung für die Acro Yoga Jam. Zusammen verfolgen die beiden als Paar die Idee des Acro Yogas, das Leben spielerisch, achtsam und mit viel Bewegung zu leben. Es macht mir viel Freude, dies bei den beiden zu sehen. Sie haben jenes Funkeln in den Augen, das wir uns alle wünschen. Ich als Neu-Single merke, was eine gute Beziehung ausmachen sollte.
Jeden Freitag bin ich hier: ACRO YOGA DRESDEN – DO WHAT YOU LOVE
Eine Acro-Yoga-Stunde besteht aus 3 Teilen: Hatha Yoga, Fliegen und Thai-Yoga-Massage
Okay! Zurück zur Acro Yoga Jam!
Unsere Acro Yoga Jam geht meist von 19:30 bis 22:00 Uhr, wobei wir gern großzügig überziehen und länger bleiben. Drei Stunden für eine Acro-Yoga-Einheit klingen vielleicht lang, aber ich kann Dir sagen, dass die Zeit wie im Fluge vergeht. Wie passend, da wir ja auch alle gern und viel fliegen im Acro Yoga. Mir gefällt der Aufbau der Stunde sehr, ebenso wie der Comunity-Gedanke. Wir beginnen immer im Kreis, die Knie berühren sich und wir legen unsere Hände auf die Knie des Nachbarn. Es ist ein wunderbares, ruhiges Ankommen. Augen schließen, atmen, innehalten und „Om“. In diesem Moment ist die Woche vergessen und das Wochenende eingeläutet.
Im ersten Teil der Acro Yoga Jam wird der Körper durch spezielle Hatha-Yoga-Übungen gekräftigt, erwärmt und vorgedehnt. Auch hier werden schon kreative Partnerübungen praktiziert, die auf das spätere Fliegen vorbereiten.
Dann verlassen wir den Kreis, legen die Matten zu kleinen Inseln zusammen und sind bereit für das Fliegen. Es bilden sich immer 3er-Gruppen, jeweils bestehend aus einem Spotter, einer Base und einem Flieger. Jeder von uns probiert alles aus. Rosa und Michael zeigen uns die Positionen, an denen wir arbeiten können. Am Anfang dachte ich, das schaff ich nie! Aber Acro Yoga ist wie „normales“ Yoga auch. Wer die Technik und die Prinzipien der Übungen verstanden hat, für den wird es leicht und die Freude kommt automatisch hinzu. Ich habe sehr schnell für mich erkannt, dass es um ein Zulassen und Einlassen geht. Wer denkt, ich muss das und das erreichen, der wird scheitern. Es gibt kein Muss, sondern nur ein Dürfen und Ausprobieren. Acro Yoga lehrt mich, das Wort „müssen“ zunehmend aus meinem Leben zu verbannen. Wir müssen sterben und Steuern zahlen. Und das war’s dann auch schon mit „müssen“.
Ich persönlich bin ein eher vorsichtiger Mensch, habe gern die Kontrolle über die Dinge und Vertrauen ist mir sehr wichtig. Deshalb bin ich im Acro Yoga lieber Base und Spotter als Flieger. Als Flieger musst Du die Kontrolle abgeben und absolutes Vertrauen zu Deiner Base und Deinem Spotter haben. Und wieder merke ich, dass manchmal gerade jene Dinge im Yoga wichtig sind, wogegen man eine „Abneigung“ hat. Also lasse ich mich auf den Flieger ein, suche mir aber eine sichere Base und einen Spotter, zu denen ich absolutes Vertrauen verspüre. Gerade dieses Einlassen auf andere Menschen, Vertrauen in sich und in die Umwelt zu haben, macht Acro Yoga für mich so wertvoll. Es geht hierbei nicht um die Übung in ihrer perfekten Form, sondern wie immer um den Weg dahin.
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An dieser Stelle sei noch kurz erwähnt, dass das Fliegen zwei Formen umfasst: zum einen das akrobatische Fliegen mit sehr kreativen Übungen und Flows. Zum anderen gibt es das therapeutische Fliegen, bei dem es eher um ein Aushängen und Relaxen geht. Es ist ein sanftes Abhängen, Dehnen und Massieren durch das eigene Körpergewicht. Ach, es macht einfach Spaß!
Zum Schluss der Acro-Yoga-Stunde folgt dann meist eine Thai-Yoga-Sequenz. Bei uns in Dresden leiten diese Michael und Rosa jeweils an. Die Thai-Yoga-Übungen sind für mich jedes Mal eine Offenbarung, weil ich den Körper nochmals anders wahrnehme und mit ihm arbeiten kann. Thai Yoga ist passives Yoga und total entspannend. Es bildet immer wieder einen himmlischen Abschluss der Acro-Yoga-Stunde.
Wie hat Acro Yoga mein Leben verändert?
Gravierend. Im Kopf konnte ich etliche Schalter umlegen, auch wenn das für meine Mitmenschen manchmal etwas gewöhnungsbedürftig ist.
- Am Anfang hatte ich das Gefühl, jeden Menschen im Umkreis von fünf Metern fliegen lassen zu müssen. Auch mein Sohn muss seitdem immer wieder herhalten. Die Begeisterung für das Acro Yoga ist vollständig in mir und will aus mir heraus. Das ist eine tolle Erfahrung.
- Das Leben ist als Spiel zu sehen, was bedeutet, eben auch zu spielen. Im Restaurant erwische ich mich immer wieder, wie ich mit Bierdeckeln Pyramiden baue. Kartenhäuser sind ein schöner Zeitvertreib, bis das Essen kommt. Es ist das Ausprobierenwollen, was geht und was nicht geht.
- Acro Yoga verändert meine Yogastunden. Dieser Punkt ist toll, weil ich die Idee von Community mit in meine regulären Yogastunden nehme. Seitdem initiiere ich mehr Partner-Yoga-Übungen und auch die Thai-Yoga-Massage fließt in meinen Unterricht mit ein. Ich kann nur sagen, die Leute lieben das und dürfen sich genauso darauf einlassen, wie ich es tue.
Insgesamt bin ich extrem dankbar, Acro Yoga für mich entdeckt zu haben. Alles braucht eben seine Zeit. Vor zwölf Jahren konnte ich noch nichts damit anfangen und jetzt schwingt es in meinem Leben mit. Und ich bin mir sicher, dass es noch viele Überraschungen für mich bereithält. Nach jeder Acro-Yoga-Stunde in Dresden fahre ich beseelt und mit einer tiefen inneren Zufriedenheit nach Hause.
Hast auch Du schon mit Acro Yoga Erfahrungen gemacht? Wenn ja, dann schreib sie mir in den Kommentaren. Danke.
Nützliche Links zum Acro Yoga
- www.acroyoga.org – Acro Yoga Community mit allen Events, Ausbildungen
- www.yogamitlucie.de – mein Plan: Bei Lucie werde ich demnächst eine Immersion mitmachen
- www.thaimassage.gr/de/ – Für alle, die Thai Yoga Massage lernen möchten
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